Vereinigung Liberaler
Kommunalpolitiker Hamburg e. V. |
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Bezirksverwaltungsreform 2004 (Beschluss des FDP-Landesvorstandes am 03. Mai 2004)
Derzeit wird in der Freien und Hansestadt Hamburg erneut über eine Umorganisation der Bezirksverwaltung diskutiert. Dazu liegt erneut ein bereits im Herbst 2003 vorgelegtes Konzept der nunmehr allein regierenden CDU vor. Außerdem entscheidet sich im Juni 2004 in einem Volksentscheid, in welcher Form wieder Wahlkreise für die Bürgerschaftswahlen entstehen. Die Hamburger FDP hat ihre Positionen zu einer Reform der Bezirksverwaltung in den letzten zwanzig Jahren mehrfach beschrieben. Dies geschah zuletzt in einem umfangreichen Beschluss des FDP-Landesparteitags vom 26. April 2003. Die Art und Weise allerdings, wie in der Wahlperiode 2001 bis 2004 über eine Reform der Hamburger Bezirksverwaltung diskutiert wurde, erfordert für die FDP den notwendigen Schluss, dass es eben nicht genügt, wenn der nunmehr allein regierende CDU-Senat von einer angeblichen Stärkung der Bezirke redet, ohne dies in einer angemessenen Form auch zu begründen. So wird aus einer "Reform" im Orwell'schen Sinne leicht in Wirklichkeit eine Restauration. Die Hamburger FDP fordert eine andere Reihenfolge, nach deren Abarbeitung die aktuellen Vorschläge diskussionsfähig wären:
1. Verankerung der Bezirke in der Verfassung Es gilt weiterhin, dass jederzeit eine Mehrheit von 61 Stimmen (und mehr) in der Hamburgischen Bürgerschaft eine bezirklich organisierte Verwaltung Hamburgs abschaffen kann. Unsere Kernforderungen einer Verankerung der staatlichen Organisation in der Hamburgischen Verfassung bleiben deshalb erhalten: - die verfassungsrechtliche Absicherung der Bezirke in der Verfassung, - die eindeutige Zuweisung der Verwaltungsaufgaben an Senat / Fachbehörden (Landesaufgaben) bzw. Bezirksämter (Bezirksaufgaben) durch ein Gesetz, - eine Bürgerbeteiligung durch gewählte Bezirksversammlungen sowie - ein Bezirksamtsleiter und ein Bezirksamt als Verwaltungsbehörde.
2. Entflechtung von Verwaltungsaufgaben Die Kosten für die Hamburger Verwaltung sind zu hoch. Die Bezirke haben in der Vergangenheit bereits erhebliche Beiträge zur Einsparung geleistet. Nun gehören auch die Fachbehörden auf den Prüfstand. Die bisherigen Aufgaben der Stadt müssen dabei reduziert werden. Die FDP will den Abbau von Verwaltungsaufgaben, die nicht vom Staat wahrgenommen werden müssen. Auch Aufgaben, die die private Wirtschaft anbietet, haben beim Staat nichts mehr zu suchen. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass der Senat durch Kompetenzänderungen zahlreiche Aufgaben den Bezirken entzogen und den Fachbehörden zugewiesen hat. Eine Entflechtung von Durchführungsaufgaben von den Fachbehörden hin zu den Bezirken hat nicht in dem erforderlichen Umfang stattgefunden. Diesbezügliche Diskussionen leiden darunter, dass die Fachbehörden sich beharrlich weigern, Durchführungsaufgaben abzugeben. Dies unterstreicht die Notwendigkeit der gesetzlichen Zuweisung von Landes- bzw. Bezirksaufgaben nach klar definierten Kriterien und mit klaren Verantwortungen. Für uns Liberale verbindet eine Verlagerung von Aufgaben auch das Erfordernis, dass die Personal- und Fachausstattung einschließlich der anteiligen Intendanzanteile einer verlagerten Aufgabe folgt. Die Stärkung der haushaltsrechtlichen Kompetenzen der Bezirke unterstützen wir. Dabei befürworten wir eine weitestgehende Regelung mit zwei großen Globalzuweisungen und der Einführung von erfolgsorientierter Mittelausstattung.
3. Direktwahl des Bezirksamtsleiters und künftige bezirkliche Vertretungskörperschaft Die Hamburger FDP setzt auf eine Steigerung der Effizienz staatlichen und kommunalen (bezirklichen) Verwaltungshandelns. Dafür ist sie aber nicht bereit, die bezirklichen Mitwirkungsrechte der Bevölkerung (Deutsche und Bürger der anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union) zu verringern, also Demokratie einzusparen. Die Grenzen einer Landesverwaltung enden dort, wo die örtlichen Aufgaben zu bewältigen sind. Die FDP ist die einzige Partei, die weiterhin eine Direktwahl der Bezirksbürgermeister durch die zur Bezirksversammlung wahlberechtigte Bevölkerung fordert. Die Bezirksversammlungen sollen eine kompetente bezirkliche Vertretungskörperschaft darstellen, die zu den örtlichen Verwaltungsaufgaben auch abschließende Entscheidungen trifft. Jeder weiß, dass dafür entscheidend ist, welche Zuständigkeiten das Bezirksamt selbst hat.
4. Zuschnitt der Bezirke und Einfluss der Wahlkreise Über den Zuschnitt der Bürgerschaftswahlkreise wird vermutlich in der Volksabstimmung am 13. Juni 2004 entschieden werden. Über die Frage einer möglichen Wahlkreiseinteilung auch für kommende Bezirksversammlungswahlen liegen derzeit noch keine Erkenntnisse vor. Für die FDP besteht kein Zwang, aus einer Wahlkreiseinteilung für die Bürgerschaftswahlen Folgerungen auf den Zuschnitt der Bezirke abzuleiten. Die FDP möchte einen künftigen Zuschnitt der Bezirke, der nicht zu einer Zersplitterung führt. Er darf kein Anlass sein, weitere Durchführungsaufgaben der Verwaltung zu zentralisieren. Daher ist für uns die bisher von der CDU diskutierte Zahl von 15 Bezirken bereits oberhalb einer denkbaren Marge. Die 1947 bis 1949 entstandenen sieben Hamburger Verwaltungsbezirke haben zumindest – bei Ausnahme des Bezirks Hamburg-Mitte – dazu geführt, dass in einem Tortenstück-Modell jeder der sechs anderen Verwaltungsbezirke soziodemographisch schlechtere und bessere Stadtteile erhalten haben. Dies ist jetzt immerhin 55 (!) Jahre her – mehr als zwei Generationen haben inzwischen damit gelebt. Erinnert sei auch daran, dass die Neugründung eines achten Verwaltungsbezirks bereits Ende in den Siebziger Jahren an den Kosten des Aufbaus gescheitert ist. Vor diesem Hintergrund sollte – wenn dies nach dem kommenden Doppik-Haushalt überzeugend nachgewiesen wird – aus FDP-Sicht eine Erhöhung der Anzahl der Bezirke durch Neuzuschnitt übergroßer Bezirke nachgedacht werden. Zu bedenken ist nämlich, dass örtliche Verwaltung eine erhebliche Tiefenschärfe besitzt, die sonst wieder den Zwang zu einer Zentralisierung erhöht.
5. Ein- oder Zweistufigkeit der Bezirke Erst wenn diese Bedingungen einer Neuorganisation bezirklicher Aufgaben erfüllt sind, stellt sich für die FDP konkret die Frage, von der bisherigen zweistufigen Bezirksverwaltung mit Bezirksamt und Ortsämtern abzuweichen. Wenn die Aufgaben der Bezirke – und damit auch die Entscheidungskompetenz der bezirklichen Gremien – zugenommen haben, erscheint uns der Weg in eine einstufige Bezirksverwaltung (unter Wegfall der Ortsämter sowie der Orts- und Kerngebietsausschüsse) gegeben.
6. Organisation der Bezirksverwaltung Nach einer solchermaßen erfolgten Neujustierung sind die Vorschläge für eine Neuorganisation der dann einstufigen Bezirksverwaltung auch für uns diskussionsfähig. Die FDP kann sich eine Neuorganisation der kundenabhängigen Dienstleistungen ("Front-Office") in weiteren Fachdienststellen der Bezirke vorstellen. Sorge bereitet uns aber die Ankündigung, bezirkliche oder überbezirkliche Fachdienststellen für die kundenunabhängige Sachbearbeitung (Back-Office) einzurichten. Wo ist die Grenze zwischen "Front-Office" und "Back-Office"? Wer ist dafür letztlich zuständig, wenn es überbezirkliche Fachdienststellen geben wird? Wesentliche Maxime für die FDP ist die eindeutige Regelung der Verantwortung; diese darf nicht durch überbezirkliche Wahrnehmung von Aufgaben verwässert werden.
7. Weitere Reform des bezirklichen Wahlrechts Wir erneuern unsere wahlrechtlichen Forderungen - nach Abschaffung der Fünf-Prozent-Sperrklausel bei den Bezirksversammlungswahlen, - die Einführung von Panaschieren und Kumulieren sowie - eine gesetzliche Festlegung des Fraktionsstatus ab zwei Bezirksabgeordnete.
8. Abschlussbemerkung In der aktuellen Diskussion liegen mannigfaltige Problemkreise, die es notwendig machen, sich über Einzelentscheidungen im Sinne einer grundsätzlichen Umorganisation der Bezirksverwaltungen hinreichende Gedanken zu machen. Der Senat muss dafür sorgen, dass nicht voreilig Einzelmaßnahmen vollstreckt werden, die hinterher vor dem Gesamtkonzept bedauert werden müssten.
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